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Natürlich ist ein Titel wie 'Unbekannte
Berliner Kinosäle' etwas reißerisch, aber in dieser Reportage machen wir einen Streifzug
durch bestehende Säle, die in der Regel der Öffentlichkeit nicht zugänglich
sind, so dass der Titel doch wieder Sinn macht. Das unten beschrieben 'Soho House Berlin' wollte jegliche Berichterstattung verbieten
und erlaubte keine Fotoaufnahmen. Da man aber über diesen Saal Information finden
kann, haben wir es trotzdem beschrieben. |
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin |
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Im 'Filmhaus'
im 'Sony Center' findet man nicht nur das Arsenal sondern
auch die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb).
Seit September 1966 bildet die 'dffb' den Filmnachwuchs aus und im Jahr 2000 fand der Umzug
zur Potsdamer Straße statt. In der 9. Etage (und damit oberstes Stockwerk) gibt es nicht
nur die Mensa mit Dachterasse und diverse Büros sondern auch den internen Kinosaal der
Akademie. |
Kino-Neonschriftzug mit Blick in den Vorführraum, Mai 2010 © kinokompendium |
Neben dem Eingang zum Kinosaal, unterhalb
eines grünroten 'Kino'-Schriftzuges, haben einige der berühmten Besucher Unterschrieben. So
findet man zum Beispiel Danny Elfmans oder Ken Loachs Unterschrift. Die meisten Unterschriften
sind allerdings ohne Hilfe nicht zuordenbar. |
Saal der dffb, Mai 2010 © kinokompendium |
Der Saal hat 63 Plätze auf 9 Reihen
verteilt. Die blauen Kinoklappsessel sind fast alle mit einem Namen an der Rücklehne gekennzeichnet,
die sich für diesen Kinosaal und oder die 'dffb' besonders eingesetzt haben. Neben 16
und 35mm Technik (mit der Präsentationsmöglichkeit vom Normalformat bis zu CinemaScope)
können natürlich auch ein Beamer und seit dem Jahr 2010 auch ein digitaler
Projektor mit 2K-Auflösung genutzt werden. |
Saal der dffb, Mai 2010 © kinokompendium |
Hier werden neben Mustern von laufenden
Projekten natürlich auch die fertig gestellten Filme während und zum Ende des Studiums
gesichtet. In der Regel ist der Saal nicht zugänglich, kommt aber
manchmal während der Berlinale für
Sonderveranstaltungen bzw. dem 'European Film Market' zum Einsatz. |
Jörg-Palast: Kino im 8mm Format |
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Als ich mich im August 2000 nach einer
Vorstellung im Manhattan nach einem technischen
Detail erkundige, wird der Vorführer ins Foyer gerufen. Mir gegenüber steht der sympathische
Jörg Maske, Jahrgang 1967, und wir kommen schnell ins quatschen über unsere gemeinsame
Leidenschaft Kino. Da die Arbeit ruft, müssen wir unser Gespräch beenden und
so drückt er mir seine Visitenkarte in die Hand und lädt mich in sein privates
Heimkino 'Jörg-Palast' ein. |
Jörg-Palast Eingang & Süßwarenstand, Dezember 2010 © kinokompendium |
Wenn von einem Heimkinoabend die Rede
ist bedeutet das in der Regel ein DVD-Abend mit einem Flachbildfernseher oder Beamer und einer
Surround Anlage. Nicht so im 'Jörg-Palast'. Dort werden die Spielfilme im
Super 8 Format gezeigt.
Super 8?! Meinen verdutzten Gesichtsausdruck hat er sicherlich schon öfters bei anderen
gesehen. Das letzte Mal, dass ich Super 8-Filme sah war Weihnachten, als wir uns Familienfilme
aus den 70ern und frühen 80ern anschauten. Meine Zweifel lassen drei Monate später auf
dem Weg nach Nikolassee nicht nach. In dieser verschlafenen Einfamilienhaus-Idylle soll mir
ein außergewöhnlicher
Kinoabend geboten werden? |
Saal, Dezember 2010 © kinokompendium |
Ich bin spät dran und klingel in
der Befürchtung eh hereingelegt worden
zu sein. Doch dann öffnet sein 'Compagnon' Michael Neiße in der 'Jörg-Palast'-Uniform
die Tür.
Schwarze Hose, weißes Hemd und rote Weste mit Namensschild und Logo.
Ich stehe im Kassenbereich, oder besser gesagt in der Küche von Jörgs
Eltern, und hole mir eine Karte für die Vorstellung. Daneben führt eine Treppe zum
Kinosaal
Die Wände in den Keller hinab sind gesäumt von Filmplakaten und Fotos, die das laufende
und kommende Programm bewerben. Am unteren Treppenabsatz steht der Süßwarenstand,
an dem es Eis, Süßigkeiten, Getränke und sogar 'Jörg-Palast- Memorabilien'
wie CD's und Postkarten gibt. |
Saal, Dezember 2010 © kinokompendium |
Der holzvertäfelte Kinosaal
mit drei Reihen und einer Sitzkapazität
von 18 Kinosesseln, aus dem Bestand der geschlossenen Neuköllner 'Ili Lichtspiele',
hat eine gemütliche warme Atmosphäre. Hinter dem goldgelben bestickten Vorhang, der
fast die gesamte Breite des Raums einnimmt, hängt die 3,5 x 1,4m große Leinwand.
Selbstverständlich können durch eine automatische Kaschierung
die verschiedenen Bildformate eingerichtet werden,
inklusive dem CinemaScope-Format. |
Projektorraum, Dezember 2010 © kinokompendium |
Das Herzstück des 1985 gegründeten
'Jörg-Palast'
ist natürlich der Vorführraum, in den der größte Teil der Baukosten geflossen
ist. Projektoren der Marke 'Elmo' stehen für die 8mm-Vorstellungen zur Verfügung.
Im neuen Jahrtausend folgt noch ein 'Bauer P 7' Projektor der für 16mm-Aufführungen
genutzt wird, und das Filmrepertoire somit erweiterte. Die synchrongesteuerten
Tonanlagen einer Revox-Perfobandmaschine, die an den 6-Kanal Dolby Stereo Prozessor angeschlossen
ist, sind nur die Grundausstattung. Ein CD-Spieler sorgt
für
die Saalmusik, zwei Diaprojektoren für die Ankündigungen und Eigenwerbungen vor dem
Film.
Mit einem Schaltkasten - ein kleines Meisterwerk der Lötkunst - lassen sich
alle Funktionen innerhalb des Saals steuern. |
Schaltkasten im Projektorraum, Dezember 2010 © kinokompendium |
Bleibt noch die Frage
des Programms.
Bei Jörg stehen Kinofilme auf dem Programm.
Nicht irgendwelche olle Kamellen oder B-Filme von denen kein Mensch bisher gehört hat,
sondern Klassiker wie 'Casablanca', Disney Zeichentrickfilme
und auch neuere Produktionen á la 'Titanic'. Je nach Film in
der Originalfassung oder Synchronfassung.
Noch bis Anfang der 1990er wurde bei Videostarts von Filmen sogar Werbung mit der
parallelen Veröffentlichung auf 8mm gemacht. Das ist natürlich im Zeitalter des digitalen
Mediums vorbei. So wird das abwechslungsreiche Programm aus der eigenen Filmsammlung und auch
aus Leihgaben von anderen befreundeten Sammlern zusammengestellt. |
Jörg Maske nach der Vorstellung in seinem Saal, Dezember 2010 © kinokompendium |
Der 'Jörg-Palast' hat ca. 20
Vorstellungen pro Halbjahr und ist immer wieder einen Besuch wert. Denn persönlicher als im
Heimkino kann es kaum werden.
[Ben 5'11] |
Hollywood Media Hotel / Neue
Lupe |
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Der Saal Neue Lupe im Hollywood
Media Hotel ist insofern besonders interessant, da es sich um das ehemalige
Kino 'Lupe' handelt.
Der legendäre Filmproduzent Arthur Brauner stellte 1967 am Kurfüstendamm 202 ein
Büro- und Geschäftshaus fertig in dessen Ladenpassage am 14. Juli 1967 Walther Kirchner
die erste Berliner 'Lupe' eröffnete. |
Neue Lupe im Hollywood Media Hotel, Mai 2010 © kinokompendium |
Kirchner begann Mitte der 60er Jahre
zu expandieren. Er besaß bereits den 'Neuen Filmkunst' Filmverleih und gründete
unter dem Namen 'Lupe' eine Kette von Filmkunsttheatern im gesamten Bundesgebiet. 1969 übernahm
er ein weiteres (bereits bestehendes) Kino am Olivaer Platz und nannte es Lupe
2. Anfang der 80er musste Kirchner seine Kinos aufgeben und wie die 'Lupe 2' wechselte
auch dieses Kino unzählige Male den Betreiber, bis es (wahrscheinlich) Ende 1997 schloß. |
Eingang der Lupe in der alten Passage, 1983 © Uwe Friedrich |
Als Arthur Brauner 1999 das Gebäude
zu einem Hotel umbauen ließ,
integrierte er den alten Kinosaal im ersten Stock. Für
400.000 DM wurde der Saal mit 99 Plätzen renoviert und zu einem Multifunktionssaal
für Tagungszwecke umgebaut. Seitdem lassen sich Vorhänge an der Fensterfront per
Knopfdruck öffnen und schließen, so dass man den Saal auch mit Tageslicht nutzen kann. Neben
einem Beamer gibt es aber tatsächlich auch noch funktionsfähige 35mm Technik.
Der Saal wird, in Anlehnung an die Geschichte des Ortes, 'Neue Lupe' genannt und sehr selten
für öffentliche
Veranstaltungen genutzt. |
Neue Lupe im Hollywood Media Hotel, Mai 2010 © kinokompendium |
Das vier Sterne Hotel Park
Plaza Wallstreet liegt in einem renovierten Gebäude von 1910 in der Wallstraße in
Mitte Berlin. Der Name der Straße stammt aus der Historie, weil an dieser Stelle Mitte des
17. Jahrhunderts ein Festungswall stand. Um 1900 wandelte sich die Straße zu einem Standort
der Textilindustrie. Aus diesem Zeitraum stammen noch viele Geschäftshauser, die alle nach
der Wende renoviert, saniert und auch teilweise durch rückgelegte Neubauten erweitert wurden. |
Kinoeingang innerhalb der Hotelhalle, Februar 2015 © kinokompendium |
Innerhalb des Hotels gibt es einen Screening
Room, den man anmieten kann. Neben der Tür zum Eingang des 'Auditorium' (Bezeichnung an der
Tür) sind acht Schauspielikonen auf Glas angebracht.
Der Saal hat sechs Reihen mit 39 roten Klappledersesseln. In jeder zweiten Armlehne ist ein
ausklappbares Tablett integriert. Am Rückende stehen noch zwei rote Ledersofas. Die Projektion
wird auf die weiße Wandfläche neben dem Eingang geworfen. |
Screening Room / Auditorium im Park Plaza Wallstreet, Februar 2015 © kinokompendium |
An der Torstraße, Ecke Prenzlauer Allee liegt das Soho House Berlin. Das heute denkmalgeschützte
Gebäude wurde für den jüdischen
Kaufmann Hermann Golhuber als Kreditwarenhaus im Jahr 1928 unter der Leitung der Architekten
Georg Bauer und Siegfried Friedländer errichtet. Seitdem hat es eine ziemlich bewegte
Geschichte hinter sich: Nachdem Gollhuber aufgrund seiner jüdischen Abstammung im Jahr
1939 immigrieren musste, wurde es von 1942 bis 1945 von der NSDAP als Verwaltungsgebäude
der Reichsjugendführung
und seit dem Jahr 1946 als 'Haus der Einheit' von der SED genutzt. Hier hatten
unter anderem Präsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl ihre Arbeitszimmer
(Bronze-Tafeln und erhaltene Wandverkleidungen im Haus erinnern daran). Von
1959 bis 1989 hatte in diesem Gebäude
das 'Institut für
Marxismus-Leninismus' seinen Sitz, dass unter anderem das Parteiarchiv der SED und KPD unterhielt. Von
1995 bis zur Eröffnung
als 'Soho House Berlin' im April 2010 wurde das Haus nicht genutzt. |
Soho House Berlin, August 2010 © kinokompendium |
Der Architekt Günter P.J. Bürk von JSK leitete
den Umbau zum 'Soho House Berlin', einer Mischung aus Private Member Club und Hotel mit 40
Zimmern. Daneben gibt es ein Restaurant, ein Schwimmbad auf dem Dach, einen Fitnessbereich,
eine Bibliothek und ein Kinosaal.
Der Kinosaal liegt im Untergeschoss des Hauses und hat 30 Sitze. Wie die Zimmer des Hotels,
ist er im plüschigen Stil der 1930er/40er-Jahre eingerichtet. Hier gibt es keine Kinostühle
sondern rote Samtsessel mit farblich passenden Fußhockern. Kleine Tischlampen mit goldgelbem
Schirm zieren vereinzelt die Tische neben den Sesseln. Die Wände sind partiell mit rotem
Stoff bespannt und am Eingang des Saals steht eine historisch nachempfundene Popcornmaschine
auf Rädern. Das Kino ist nur Clubmitgliedern zugänglich und kann für exklusive Events gemietet
werden. |
Darüber hinaus beschreiben
wir noch folgende Säle, die vielen Kinogängern unbekannt sind, da
sie nur sehr sporadisch oder mit sehr speziellen Programm bespielt werden: Russisches
Haus und Gropius-Bau.
In unserer Rubrik geschlossene Kinos beschreiben wir noch das Delphi
Weißensee, Ethnologischen Museum
(ehemals filmbuehne-museum), Kosmos und den KinoKlub der Humboldt
Uni. Diese Säle exisitieren alle noch, sind in der Regel aber dem Publikum nicht zugänglich oder wenn nicht als Kinosaal.
[Ben 10'22] |
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